von Friedrich Wolfenter
Gegen
Ende der 70er Jahre befasste ich mich mit experimenteller
und apparativer Graphik. Dabei
entwickelte sich bei mir die Idee,
Exlibris rein maschinell
herzustellen und zwar mit Hilfe der Schreib-
maschine.
Unter Ausnutzung einer
kleinen, jedoch entscheidenden Zufalls-
entdeckung ergaben sich bald
optisch reizvolle, typographische
Gestaltungsmöglichkeiten. Für
diese spezielle Art der Technik
erwarb ich dann 1980 einen
Gebrauchsmusterschutz.
Da ich eine Vorliebe für die
kleine und filigrane Form habe, kommt
mir diese Technik sehr
entgegen, die sich innerhalb eines geord-
neten Rasters bewegt,
gleichzeitig allerdings große Diszipliniertheit
bei der Gestaltung und
Ausführung eines graphischen Blattes vor-
aussetzt. Für ungehemmte und
freie Bewegungen bleibt wenig
oder gar kein Raum.
Bevor ich meine ersten
maschinellen Erzeugnisse zu Papier brachte,
untersuchte ich alle
Schreibmaschinentypen exakt auf ihren orna-
mentalen Charakter hin, um sie
mit einem geeigneten Ergänzungs-
typ kombinieren zu können. So
erhält zum Beispiel das kleine ‚x’
mehr Schwärze und Substanz und
dadurch einen veränderten
Duktus durch den auf die selbe
Stelle geschriebenen Doppelpunkt.
Unabdingbare Voraussetzung
dafür ist allerdings, dass der Doppel-
punkt (:) auch tatsächlich
genau in den oberen und unteren
x-Zwischenraum passt. Eine
winzige Verschiebung nach rechts
oder links, nach oben oder
unten, stört den Betrachtungsrhythmus
und visuellen Eindruck derart,
dass auf eine Kombination dieser
beiden Schrifttypen verzichtet
werden müsste. Nur ganz wenige
Schreibmaschinen erfüllen die
Voraussetzung für ein absolut
axialsymmetrisches
Übereinanderdrucken.
Eine Steigerung meiner
entwickelten Technik erzielte ich durch die
Aneinanderreihung visuell
gefälliger Typenkombinationen, speziell
jedoch durch das
Hintereinanderdrucken in ‚Halbschritt-Manier’,
das heißt in halber Entfernung
des sonst üblichen Abstandes zum
nächsten Buchstaben oder
Zeichen. Dadurch wird auf engstem
Raum die doppelte Anzahl von
Typen untergebracht, was einer
Graphik einen grazilen
Charakter verleiht, auch im Hinblick auf die
Schaffung von kleinsten
Bucheignerzeichen für Miniaturbücher,
die von der Kleinheit und mit
der Kleinheit leben müssen.
Wie bei anderen, strengen
Rastern und Gesetzmäßigkeiten unter-
worfenen Gestaltungen, ergeben
sich inmitten der so entstandenen
Flächen interessante und
überraschende Streifen- oder Gittermuster,
auch Moirés genannt. Es bilden
sich optisch ganz neu zu erfassen-
de Freiflächen heraus, die
unser Auge trotz Verwendung eckiger
Buchstabenelemente als
Rundform wahrnimmt. Die Kleinheit trägt
ihr Übriges dazu bei.
Selbstverständlich läßt eine
flächige Technik nur geringe Möglich-
keiten zu, plastische Formen zu
erzeugen, was jedoch in diesem
Fall nicht in meinen
Bestrebungen liegt. Das fertige Blatt muss sich
optisch klar, technisch
korrekt und vor allen Dingen ästhetisch dar-
bieten. Es soll Freude am
kleinsten graphischen Element hervor-
rufen und dem Exlibris-Eigner
den Bezug des Typographischen zum
gedruckten Buch herstellen.
Jede auf diese Weise
gefertigte Buchmarke stellt ein Unikat dar,
also ein Original, das mit
minimalsten Abweichungen, welche gerade
die Originalität beweisen,
wiederholbar ist - allerdings mit sehr ho-
hem Zeitaufwand, selbst wenn
bereits ein fertiger Entwurf vorliegt,
muss doch jede einzelne Type
wieder an die exakt richtige Stelle
platziert werden. Ein einziges
Exlibris setzt sich oftmals aus über
eintausend
Schreibmaschinenanschlägen zusammen!
Eine Originalgraphik
fehlerfrei zu schreiben, stellt jedesmal aufs Neue
eine Herausforderung dar,
selbst nach einem vorgefertigten Schema,
bei dem jede einzelne Type im
Schreibmaschinenraster ihren festen
Platz einnimmt. Jeder noch so
kleine Fehler oder gar ein Vertippen
macht das Erzeugnis so gut wie
wertlos, da unser Auge diese Un-
stimmigkeit sofort negativ
registriert. Eine Korrektur ist praktisch nicht
mehr möglich.
Publikation:
Friedrich Wolfenter:
Icks mit Doppelpunkt
Fünf Typographische
Schach-Exlibris
Mit einem erläuternden Text
zur Technik, in welcher die Blätter gefertigt
wurden und einer Beschreibung
der einzelnen Exlibris.
Die Bucheignerzeichen sind
separat am oberen Bildrand auf schwarzes
Papier aufgeklebt.
Umfang/Format: 16 Seiten DIN
A5 (14,8 x 21,0 cm)
Einband: Schwarzer Karton mit
aufgeklebtem Titelschild, Fadenheftung
Druck: Original-Laserdruck auf
‚Artoz PC Color-Papier’, 140 g/qm
Schrift: Times 10 Pkt.
Auflage: 50 signierte und
nummerierte Exemplare
Gesamte Herstellung: Friedrich
Wolfenter, Stuttgart 1997
(vorgestellt in ‚Bartkowiaks forum
book art’, 16. Ausgabe 1997/1998
€ 15,00