Was ist ein
Anagramm?
Anagramme
haben eine lange Tradition. Der griechische Dichter Lykophron
von Chalkis
(3. Jahrh. v. Chr.) war es wohl, der das Anagramm erstmals in seinen
Schriften verwendete.
SIEGT
Der eigentliche
Ursprung jedoch, so wird vermutet, dürfte im Orient zu suchen sein,
was aus seiner
Verbreitung in religiösen Geheimschriften durch jüdische Kabbalisten
zu ersehen ist.
Anagramm
(von griechisch anagraphein = umschreiben), auch Letterkehr oder Letterwechsel
genannt, ist
die Umstellung der in einem Namen, Satz, Wort oder auch Wortgruppe
enthaltenen
Buchstaben zu anderer Reihenfolge und neuem Sinn (bzw. Pseudosinn),
ohne dass ein
Buchstabe weggelassen oder hinzugefügt wird.
Erlaubt und
oftmals auch erforderlich ist das sog. Umlauten: ä, ö und ü wird zu a+e, o+e
und u+e. Das ß kann in s+s zerlegt
werden.
Das regelmäßig
rücklaufende Anagramm heißt Palindrom, z.B. Leben – Nebel.
REGEN
Im 16. und
17. Jahrh. war das Anagramm ein beliebtes Wort-
und Buchstabenspiel,
das einen
verborgenen Sinn in verschiedenen Kombinationen bloßlegen wollte.
Auch wurde versucht, symbolische Bezüge deutlich zu machen, z.B. Ave – Eva.
Ebenso bediente man sich der Anagramme zur Verschlüsselung wissenschaftlicher Entdeckungen.
PRAKTISCHE
PARKTISCHE
In der Barockzeit war das Anagramm besonders als Pseudonym beliebt oder wurde als
anagrammatische Anspielung an den Empfänger benützt.
Am häufigsten wurde es aber zur Verschleierung von Autorennamen verwendet.
Christoffel von Grimmelshausen schrieb seinen Namen sogar in sieben verschiedenen
Anagramm-Versionen.
Dem Anagramm in deutscher Sprache verhalf Martin Opitz (1597-1639) zum Durchbruch.
Sein Vorbild waren lateinische und französische Autoren. Opitz begann z.B. ein Preisgedicht auf
Helena Roggin mit
der Anagrammzeile „Oh ringe lange“ und beendete es mit „Engel ohne Arg“.
Und für Johannes Rogge, welcher eine Vorliebe für die Jagd besaß, prägte er in einem
Scherzgedicht das Anagramm „Jage ohne Sorgen.“
BUECHER SIND FREUNDE
BEFREIE DEN URSCHUND
In der Form des Pseudonyms hat sich das Anagramm bis in unser Jahrhundert erhalten.
Bekannt ist z.B. das Pseudonym Benno Papentrigk unter dem der Verleger Anton Kippenberg
(1874-1950) seine dichterischen Erzeugnisse veröffentlichte.
Von den deutschsprachigen Autoren und Autorinnen,
die sich dem Anagramm in neuester Zeit
sehr intensiv widmen und widmeten, sind u.a. zu nennen: Unica Zürn (1916 – 1970), die
ungekrönte Königin des Anagramms, Oskar Pastior, Herbert Pfeiffer (Palindrom-Gedichte).
Der Sprachwissenschaftler und Linguistikforscher Peter Wunderli hat sich eingehend mit
Anagrammstudien beschäftigt, die in seiner
1972 erschienenen Publikation Ferdinand de Saussure
und die Anagramme“ ihren Niederschlag fanden.
LATENTE
TALENTE
Nicht außer Acht gelassen werden darf auch der mathematisch-kombinatorische Aspekt,
wenn von Anagrammen die Rede ist, wobei der Begriff der Permutation eine bedeutende Rolle
spielt.
PERMUTATION
TRAUMPOETIN
Unter Permutation versteht man laut DUDEN die Umstellung in der Reihenfolge bei einer Zusammen
stellung einer bestimmten Anzahl geordneter Größen und Elemente. In die Sprachwissenschaft
übertragen: Die Umstellung aufeinander folgender sprachlicher Elemente (Buchstaben) einer
linearen Kette (Worte oder Wortgruppen) bei Wahrung der Funktion dieser Elemente. Dies hört sich
sehr mathematisch und kompliziert an, ist es in Wirklichkeit aber nicht.
KONTRASTE
STARENKOT
Nehmen wir als Beispiel das 3-buchstabige Wort AUS, so lassen sich durch Permutation (Umstellung)
insgesamt 6 verschiedene Varianten bilden: AUS - ASU - UAS - USA - SAU - SUA. Der Ertrag an
neuen (sinngebenden) Worten (Neologismen) ist in diesem Fall recht ordentlich und liegt bei 50%.
LEIB
LIEB
BLEI
BEIL
BIEL
Doch der Schein trügt gewaltig. Je höher die Buchstabenanzahl eines Wortes ist und je ausgefallener
die einzelnen Buchstaben sind (z.B. j, q, x, y), desto geringer ist natürlich die Erfolgsquote.
KAISERSLAUTERN
ALTARKUESSERIN
Die Buchstabenhäufigkeit in der deutschen Sprache ist hierbei von maßgebender Bedeutung.
Die Häufigkeitsverteilung der Buchstaben in einem normalen deutschen Text lautet:
e (18%) n r i t s d u a h l c g o z m b w f k v p j q x y (unter 1%).
SCHUTZUMSCHLAG
UMZUGSSCHLACHT
Die Anzahl der Permutationen der Elemente einer Menge lässt sich mathematisch exakt berechnen
nach der Formel: P(n) = 1 x 2 x 3 x 4 x ... x n = n! (! = Fakultät).
1! = 1
2! = 2
3! = 6
4! = 24
5! = 120
6! = 720
7! = 5 040
8! = 40 320
9! = 362 880
10! = 3 628 800
11! = 39 916 800
12! = 479 001 600
13! = 6 227 020 800
14! = 87 178 291 200
15! = 1 307 674 368 000 (1x2x3x4x5x6x7x8x9x10x11x12x13x14x15)
KREATION
KROATIEN
KANTOREI
Bei einem Wort mit 8 Buchstaben, z.B. KREATION, gibt es nicht weniger als 40 320 verschiedene
Möglichkeiten (Permutation), die einzelnen Buchstaben in eine andere Reihenfolge zu bringen,
nämlich 1 x 2 x 3 x 4 x 5 x 6 x 7 x 8 = 40 320, wobei das Wort REAKTION eine der Möglichkeiten
darstellt.
VORBETEN
VERBOTEN
Trotz der ungeheuren Vielzahl von Vertauschungsmöglichkeiten gelingen beim Anagramm oder
Anagramm-Gedicht (nach intensiver Suche) nur wenige zufriedenstellende Zeilen, die einen neuen
Sinn bzw. Pseudosinn ergeben und bei denen kein Buchstabe übrigbleibt. Die Quote liegt in der
Größenordnung von 0,00000001%.
HAENSEL UND GRETEL
EHRT ENGLANDS EULE
Rätselhaft bis auf den heutigen Tag bleibt eine Anagrammzeile mit 51 scheinbar wahllos hinter-
einander gereihten Buchstaben unseres Alphabets, deren eigentlicher Inhalt unentschlüsselt
geblieben ist. Viele kluge Köpfe und Sprachanalytiker haben schon versucht, hinter ihr Geheimnis
zu kommen. Der bekannte schweizer Psychologe und Seelenforscher C.G. Jung bringt diese
Anagrammzeile am Schluss seines
Erinnerungsbuches. Sie lautet:
N A H
T R I H E C C U N D E G A H
I N N E V E R A H T U N I N Z E H G E S S U R K L A C H Z U N N U S.
Welche Botschaft an uns enthält sie wohl?
Hier noch ein interessanter Hinweis auf den Link:
https://www.sprachnudel.de/rhetorische-mittel/anagramm
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